Philip Butz. Foto: Volker Beushausen

Im Herbst 2019 war Philip Butz als Rio Reiser im Musical ”Mein Name ist Mensch“ von Frank Leo Schröder und Gert C. Möbius in der Komödie am Kurfürstendamm im Schillertheater zu sehen; im Juni 2020 wird die Produktion wieder aufgenommen. Cäcilie Möbius hat Philip für euch interviewt und zu seinen Erfahrungen als Rio befragt.

Du hast Rio Reiser in der Inszenierung von „Mein Name ist Mensch“ im Schillertheater gespielt und wirst die Rolle im Sommer erneut übernehmen. Was war dein erster Gedanke, als du erfahren hast, dass du Rio spielen wirst?

Das war ein ganz heißer Frühsommertag in Basel, als der Anruf aus Berlin kam. Ich stand gerade schwitzend in einer Bibliothek, in der man eigentlich still vor sich hinarbeitet. Da ich die Telefonnummer nicht kannte nahm ich trotzdem ab und es kam nach dem Auflegen ein ganz schräger halbstummer Jubel aus mir heraus. Da ist dann mehr so ein Gefühlscocktail, als ein erster klarer Gedanke. Später war da natürlich auch eine gehörige Portion Respekt, aber die Euphorie war größer.

Leidenschaftlich: Philip Butz als Rio Reiser. (Links: Paul Tetzlaff, Fabian Hentschel, Hans Gurbig, Frédéric Brossier; Oben: Katrin Hauptmann)
Foto: Franziska Strauss

Wie hast du dir Rio Reiser erarbeitet? Hast du Videos geschaut, seine Körperhaltung studiert etc?

Ja, auch das habe ich getan. Aus seiner Körperlichkeit lässt sich tatsächlich für mich viel ablesen. Er hat so ein paar ganz markante Bewegungsabläufe. Seine Art sich zur Musik zu bewegen, lässt erahnen wie sehr er sich darin verlieren oder auch wiederfinden konnte. Das wirkt schon fast meditativ, wenn er auf Zehenspitzen und mit geschlossenen Augen, scheinbar fernab von Raum und Zeit, sich voll der Musik hingibt. Ich habe auch stark den Eindruck, dass er nie vergessen hat, woher seine Texte kamen. Da hört man nicht heraus, wie oft man wohl schon einen Titel gespielt hat. Und er hatte irgendwie das Talent total für sich im Moment zu sein und gleichzeitig aber auch über die Rampe zu kommen, sprich den Zuschauer oder Zuhörer anzusprechen und mitzunehmen. Im Endeffekt habe ich recherchiert, mich vor allem hineingesungen und immer wieder versucht mir die richtigen Fragen zu stellen.

Als jemand, der Rio nicht gekannt aber auf der Bühne gespielt hat, wie würdest du ihn in wenigen Worten charakterisieren?

Das Schöne an ihm ist, dass das eben nicht so leicht geht. Ich habe Notizzettel auf denen dann so Schlagworte wie Rebellion, Liebe, Aufbruch, Wut, Einsamkeit usw. geschrieben steht. Das war natürlich schon hilfreich, aber das beschreibt eben immer nur ein paar Merkmale, einige Farben, sodass man eben nicht bei ihm ankommt, wenn man das eins zu eins übertragen will – „Dann spiel ich den halt aggressiv, aufbrausend und irgendwie einsam, vielleicht weil schwul.“ Das klappt so aber nicht. Was mir an ihm besonders gefällt ist, dass er einem dann immer entwischt. Die Aussagen waren politisch, aber er wollte sich auch von Niemandem instrumentalisieren lassen. Er war schwul, wenn es aber keiner wahrhaben wollte, dann wurde es eben kaum wahrgenommen. Er war bibelfest, aber auch seinen Glauben machte er nicht zum zentralen Thema. Absolut ein Poet, aber ohne Ambitionen, oder den Anspruch als Intelektueller wahrgenommen werden zu wollen. Ein Typ für die Großstadt, aber ihn zieht es letztlich aufs Land. Eine einsame Seele, aber immer unter Leuten. Er hat keine Fahnen zugelassen, auf die man etwas dick und fett hätte schreiben können. Deswegen lässt er einen nicht los. Das ist alles spannend.

Wie hast du die Probenzeit zu „Mein Name ist Mensch“ erlebt?

Ehrlich gesagt, hätte ich mir mehr Zeit und Ruhe gewünscht. Dadurch, dass es die Produktion in ähnlicher Form und Besetzung schon einmal gab, ging man davon aus, dass man flott durch das Stück kommen würde. Aber, wie fast immer im Theater, vergisst man die Stolpersteine auf dem Weg. Umso schöner ist es, dass da ein Ensemble und ein Team neben und hinter der Bühne zusammengewachsen ist, wo man sich vertraut. Und das ist sowieso das Wichtigste.

Liebevoll, Philip Butz vorn, als Rio, und Frédéric Brossier.
Foto: Franziska Strauss

Denkst du, dass Rios Lieder heute noch (oder wieder) aktuell sind?

Na klar. Die Comfort Zonen, die wir uns hierzulande und in wirtschaftsstarken Ländern der Welt gebaut haben sind trügerisch. Das ist alles toxisch. Einer wie Rio, hat das Kind beim Namen genannt. Heute heißt es: „Not my europe!“, wenn es um die Entscheidungen gegen Geflüchtete geht und damals sang Rio im Hinblick auf menschengemachte Grenzen eben „Dieses Land ist es nicht!“. Sicher lässt sich das übertragen.

Welcher Song war die größte Herausforderung für dich?

Definitiv Jenseits von Eden. Das war zu Beginn rein atemtechnisch überhaupt nicht einfach. Und jetzt kommt’s. Es wurde mein absoluter Lieblingssong in der Produktion. Ich habe da tatsächlich das Gefühl, dass der Boden wankt. Da muss man nicht mehr viel Spielen und Performen. Dieser Puls lässt einen auf Dauer zu Boden gehen. Ich liebe das.

Was nimmst du aus deiner Zeit „als Rio“ mit?

Ganz sicher, dass ich mich weiter musikalisch ausdrücken will. Ich war einige Jahre als Sänger mit meiner damaligen Skaband unterwegs. Ich habe dieses Konzertgefühl wohl wirklich sehr vermisst. Da ging schon wieder ein Wunsch in Erfüllung. Und bei Rio stehen Text und Melodie so aussagekräftig für sich, dass man eigentlich nicht mehr viel erklären muss. So Musik will man einfach machen.

War es für euch als Ensemble überraschend, dass ein Theater wie die Komödie am Kurfürstendamm, die ja meist ein eher konservatives Publikum hat, „Mein Name ist Mensch“ aufführen wollte?

Da ich nicht fest in Berlin wohne und mich mit dem Programm der Komödie zuvor noch gar nicht auskannte, hat mich das überhaupt nicht gewundert. Aber ich habe durchaus gemerkt, dass sich da was rumgesprochen hat. Da sitzt inzwischen ein ganz gemischtes Publikum in den Rängen. Das ist doch toll.

Wenn du Rio eine Frage stellen könnest, was wäre das?

Schwer zu sagen. Auf jeden Fall bin ich sehr glücklich, dass ich auf meiner persönlichen Suche nach ihm durchaus Antworten bekommen habe. Ich bin wahrscheinlich nicht ganz so spirituell wie es die Scherben phasenweise gelebt haben, aber ich glaube schon an komplexe und nicht messbare Verbindungen. Wahrscheinlich gerade weil ich von Physik keine Ahnung habe. Und wenn man an so etwas glaubt, dann fühlt das sich ja auch schon mal so an, als hätte man miteinander gesprochen.

Wo und als wen werden wir dich als nächstes sehen?

Ich werde nach der nächsten Runde Rio im Oktober in Österreich/Vorarlberg zu sehen sein. Eine Uraufführung des Stücks „Der Puppenmacher“ von Thomas A. Welte.

Vielen Dank für das Gespräch!

König von Deutschland: Philip Butz als Rio Reiser. Links: Fabian Hentschel, rechts: Hans Gurbig.
Foto: Franziska Strauss.

Philip Butz wurde 1988 in Karlsruhe geboren und studierte Schauspiel an der Freiburger Schauspielschule. Er war unter anderem Ensemblemitglied am Westfälischen Landestheater und in den Serien ”Sturm der Liebe“ und “Kaiser! König! Karl!“ zu sehen. Mehr zu Philip Butz findet man hier: https://www.philipbutz.de/

Karten für das Musical „Mein Name ist Mensch“ gibt es hier auf den Seiten der Komödie am Kurfürstendamm.

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